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Untersuchung der Feinstaubepisode im März 2025 in Sachsen-Anhalt

Inversionswetterlage, wenig Wind und Luftmassen aus Südosten sorgten im März für zahlreiche PM10-Grenzwertüberschreitungen. Eine Einordnung der zweiten Feinstaubepisode 2025 von Katharina Roloff.

1. Meteorologische Situation

Die Hochdruckgebiete „Heltraut“ und „Ingeborg“ bestimmten seit Anfang März das Wettergeschehen in Deutschland. Pünktlich zum meteorologischen Frühlingsanfang stellte sich über Mitteleuropa eine blockierende Hochdruckwetterlage ein. Eine solche führte bereits im Februar 2025 zu einer mehrtägigen Feinstaubepisode in Deutschland. Das stationäre Hoch lenkt dabei Tiefausläufer mit dichten Wolkenbändern und Regen über Nordeuropa ab, wie in Abbildung 1 für den 9. März 2025 gezeigt ist. In der Folge stellte sich auch in Deutschland sonniges und mildes Frühlingswetter ein. Da solche Hochdruckwetterlagen typischerweise mit ausbleibendem Niederschlag und geringen Windgeschwindigkeiten einhergehen, ist ein wirksamer Luftaustausch sowohl horizontal als auch vertikal nahezu unterbunden. In der Folge reichern sich die Luftschadstoffe, oft über mehrere Tage, in den unteren Luftschichten nahe der Emissionsquellen an. Vor allem in städtischen und industriellen Umgebungen ist während solcher Wetterlagen mit einer erhöhten Belastungssituation zu rechnen.

Da im Messnetz des Lufthygienischen Überwachungssystems Sachsen-Anhalt (LÜSA) auch meteorologische Daten erhoben werden, konnten die austauscharmen Wetterbedingungen über mehrere Tage anhand eigener Messungen nachvollzogen werden.

Abbildung 2 zeigt die Auswertung der Temperaturmessungen am Funkturm Magdeburg im Zeitraum vom 3. bis 12. März 2025. Beispielhaft sind die Werte der Messhöhen in zwei Metern und in 140 Metern dargestellt. Die grau schraffierten Flächen zwischen den beiden Kurven markieren eine Inversionssituation. Dabei kühlen der Erdboden und die bodennahen Luftschichten in klaren Nächten durch langwellige Ausstrahlung stark aus. Die Lufttemperatur in höheren Schichten ist dagegen nicht mehr vom Erdboden beeinflusst und weist eine höhere Temperatur auf. Der vertikale Luftmassenaustausch ist durch eine Inversion unterbunden. Daher begünstigt das Auftreten von Inversionen die Anreicherung von Luftschadstoffen zusätzlich. Es ist festzustellen, dass sich im untersuchten Zeitraum in jeder Nacht bis einschließlich 11. März 2025 eine Bodeninversion ausbilden konnte. Im Verlaufe der ersten Märzwoche nimmt die Temperaturdifferenz zwischen den beiden Messhöhen immer mehr zu, bis sie in den Nächten vom 6. bis 8. März 2025 über 15 Kelvin beträgt. Daher konnte sich die Bodeninversion an diesen Tagen trotz erheblicher solarer Einstrahlung bis in die späten Vormittagsstunden halten und den Luftmassenaustausch mit höheren Luftschichten unterbinden. Es ist ebenso zu erkennen, dass sich die Inversion nur für wenige Stunden am Tag auflöst und sich bereits in den frühen Abendstunden eine neue Inversion ausbildet. Das Auftreten von Bodeninversionen war also ein entscheidender,  meteorologischer Faktor für den eingeschränkten Luftmassenaustausch. Hinzu kamen  ausbleibender Niederschlag und geringe Windgeschwindigkeiten. In Abbildung 3 sind die aufgezeichneten Windgeschwindigkeiten am Funkturm Magdeburg in 140 Metern und an der Luftmessstation Burg in 10 Metern Höhe dargestellt. Ab dem 3. März liegt die mittlere Windgeschwindigkeit am Funkturm unter 5 m/s, in Burg sogar nur um 1 m/s. Zwischen dem 8. und 10. März 2025 gleichen sich die Messergebnisse trotz großer Messhöhendifferenz sogar zeitweise an. Das Minimum der Windgeschwindigkeit wird in der Nacht vom 9. auf den 10. März 2025 erreicht.

Der Wind drehte dabei langsam und kontinuierlich von westlichen Richtungen am 3. März auf südliche Richtungen am 7. März und weiter auf östliche Richtungen am 8. März (siehe auch Abbildung 4). Mit zunehmendem Tiefdruckeinfluss am 10. März dreht der Wind dann sprunghaft auf nordwestliche Richtungen. Die aufgezeichnete östliche Anströmung am 8. und 9. März lässt vermuten, dass die herantransportieren Luftmassen aus Tschechien und Polen bereits eine erhöhte Schadstoffkonzentration aufwiesen und damit zusätzlich zur austauscharmen Wetterlage zu den im 2. Abschnitt aufgezeigten Belastungsspitzen führten. Eine erhebliche Besserung stellte sich erst mit Änderung der Großwetterlage am 11. März ein.
Der Eintrag von Saharastaub hatte auf die untersuchte Feinstaubepisode keinen nennenswerten Einfluss. Zwar konnte dieser in Modellierungen des Copernicus Atmospheric Monitoring Service (CAMS) in drei und fünf Kilometer Höhe nachverfolgt werden. Laut Deutschem Wetterdienst war der Einfluss am Boden allerdings vernachlässigbar (DWD).

2. Belastungssituation

Nach Hochdruckeinfluss und dem Durchzug eines Frontensystems in den ersten Tagen des Monats März 2025 bewegten sich die Konzentrationen in der Feinstaubfraktion PM10 unter 20 µg/m³ im Tagesmittel an den städtischen Hintergrundstationen des LÜSA. Nach Einstellung der in Abschnitt 1 beschriebenen blockierenden Hochdruckwetterlage kam es ab dem 7. März zu Grenzwertüberschreitungen des PM10-Tagesgrenzwerts in Höhe von 50 µg/m³ an den Luftmessstationen des Landes Sachsen-Anhalt.

Tabelle 1: Anzahl der Überschreitungen des Tagesgrenzwerts für PM10 in Höhe von 50 µg/m³ je Stationsklasse im LÜSA im Zeitraum von 6. bis 12. März 2025. Die Zahl in Klammern gibt an, wie viele PM10-Messstationen des LÜSA dieser Klasse zugeordnet sind.

Stationsklasse

06.03.

07.03.

08.03.

09.03.

10.03.

11.03.

12.03.

Summe

Verkehrsschwerpunkt (8)

0

1

5

8

8

8

0

30

Städtischer Hintergrund (9)

0

0

1

5

7

7

0

20

Industriestandort (2)

0

0

1

2

2

2

0

7

Ländlicher Hintergrund (4)

0

0

0

2

3

2

0

7

Summe

0

1

7

17

20

19

0

64

 

Tabelle 1 zeigt die Anzahl der Tage mit Überschreitung des Tagesgrenzwerts für PM10 in Höhe von 50 µg/m³. Dabei sind die zugrunde liegenden PM10-Messungen an den Stationen je nach Umgebung gruppiert in die Standortklassen Verkehrsschwerpunkt, städtischer Hintergrund, Industriestandort und ländlicher Hintergrund. Es ist zu erkennen, dass es in allen Stationsklassen zu Überschreitungen kam, wobei die Anzahl der Überschreitungen erwartungsgemäß an den Verkehrsschwerpunkten sowohl anteilig an der Gesamtzahl der Stationen als auch im Absolutwert höher lag als im ländlichen Hintergrund. Am 9. März 2025 wurden erstmalig an allen Verkehrsmessstationen im Land Grenzwertüberschreitungen verzeichnet. Am 10. März 2025, dem Höhepunkt der untersuchten Feinstaubepisode, kam es an allen acht Verkehrsstationen und an sieben Stationen des städtischen Hintergrunds zu Überschreitungen. Insgesamt kam es während dieser Episode zu 64 Überschreitungen des Tagesgrenzwerts in Sachsen-Anhalt. Die Stationen Unterharz/Friedrichsbrunn im ländlichen Hintergrund und Wernigerode/Bahnhof im städtischen Hintergrund verzeichneten während der Feinstaubepisode keine Grenzwertüberschreitung. Ursächlich hierfür ist vermutlich die in Abschnitt 1 erwähnte Ostanströmung. Die Messstationen liegen somit geschützt im Lee des Harzes und unterlagen damit nicht dem Ferntransport von Feinstaub.

In Abbildung 5 ist die PM10-Belastung im Land Sachsen-Anhalt im zeitlichen Verlauf dargestellt. Zur räumlichen Interpolation der punktuellen Feinstaubmessungen wurde die Software FLADIS genutzt. Dieses Programm nutzt als Basis die Orographie, Messdaten der Konzentration einer Schadstoffkomponente, in diesem Fall PM10, sowie der Windgeschwindigkeit bzw. Windrichtung und berechnet daraus die Schadstoffverteilung im gesamten Bundesland. Während die Belastung am 6. März noch ein vergleichsweise niedriges Niveau aufwies und vor allem durch lokale Emissionen geprägt war, ist ab dem 7. und 8. März ein kontinuierlicher Anstieg der PM10-Konzentration zu beobachten. Am 10. und 11. März war Sachsen-Anhalt nahezu flächendeckend von sehr hohen Feinstaub-Konzentrationen betroffen. Lediglich die Harzregion weist, wie bereits erläutert, Belastungswerte unterhalb von 50 µg/m³ auf.

In den Karten vom 6., 7. und 8. März sticht die Region um Bernburg abermals deutlich heraus. Dies war auch bei der Feinstaubepisode im Februar 2025 auffällig. Die Messstation im städtischen Hintergrund, die in ihrem näheren Stationsumfeld allerdings von einer Bushaltestelle, einer Tankstelle und einer Hauptverkehrsstraße umgeben ist, wies auch während dieser untersuchten Episode die höchste Feinstaubbelastung im städtischen Hintergrund auf und lag in der mittleren Belastung über Verkehrsmessstationen wie Halle/Riebeckplatz oder Magdeburg/Guericke-Straße. Ursächlich hierfür ist vermutlich die Lage der Stadt im Saaletal, welche einen Austausch der Luftmassen zusätzlich erschwert.

Abbildung 6 zeigt die Tagesmittelwerte ausgesuchter Messstationen, ebenfalls unterteilt in die bereits erläuterten Standortklassen, für den Zeitraum vom 6. bis 12. März 2025. Zusätzlich dargestellt ist der PM10-Tagesgrenzwert in Höhe von 50 µg/m³, der nur an 35 Tagen im Jahr je Station überschritten werden darf. Unabhängig von der Stationsklasse ist zu erkennen, dass ab dem 6. März der Tagesmittelwert der Stationen stetig zunimmt und, je nach Lage der Station, am 10. oder 11. März 2025 seinen Höchstwert findet. Am 10. März wird der Tagesgrenzwert sogar an den Stationen Zartau (nicht gezeigt), Goldene Aue (Roßla) und Domäne Bobbe im ländlichen Hintergrund überschritten. Die Stationen Halle/Paracelsusstraße und Wittenberg/Dessauer Straße weisen mit 90 bzw. 89 µg/m³ zeitversetzt am 10. bzw. 11. März die höchsten Tagesmittelwerte im Kollektiv aller Stationen an Verkehrsschwerpunkten mit PM10-Messung auf. An der Paracelsusstraße wurden während der gesamten Episode im Mittel die höchsten Feinstaubwerte gemessen. Es kam dort an fünf aufeinander folgenden Tagen zu einer Überschreitung des PM10-Tagesgrenzwerts. Hingegen weisen die beiden Industriestandorte eine ähnliche Belastung auf, wie sie auch im städtischen Hintergrund aufgetreten ist. Während in Bitterfeld-Wolfen drei Überschreitungstage gemessen wurden, waren es in Leuna sogar vier.

Am 10. März 2025 gerät Deutschland zunehmend in den Einfluss eines Tiefdruckgebiets westlich von Spanien. Kalte und feuchte Luft erreicht nach zwei Tagen auch Sachsen-Anhalt. Der Wind frischt langsam auf und dreht auf nordwestliche Richtungen. So finden die blockierende Hochdrucklage und damit die schlechten Austauschbedingungen ein Ende. Allerdings dauert es noch bis 12. März 2025, bis die erhöhte Feinstaubbelastung abgebaut und der Tagesgrenzwert für PM10 im Land Sachsen-Anhalt wieder sicher eingehalten wird.

3. Einordnung der Feinstaubepisode

Nicht nur in Sachsen-Anhalt hatte die blockierende Hochdruckwetterlage einen Einfluss auf die Feinstaubbelastung, sondern im gesamten Norden Deutschlands. Tabelle 2 zeigt die Anzahl der Überschreitungen des Tagesgrenzwerts für PM10 im Land Sachsen-Anhalt und in Deutschland im Zeitraum von 6. bis 12. März 2025. Zudem sind die Maximalwerte der PM10-Konzentration im Tagesmittel angegeben. Es ist zu erkennen, dass die Anzahl der Überschreitungstage in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu den gesamtdeutschen Werten bis zum 12. März 2025 nicht auffällig hoch ist. Die Höhe der Feinstaubbelastung ist allerdings bemerkenswert, denn am 10. und 11. März wurden in Sachsen-Anhalt die deutschlandweiten Maximalwerte gemessen (90 µg/m³ in Halle/Paracelsusstraße und 89 µg/m³ in Wittenberg/ Dessauer Straße).

Tabelle 2:               Anzahl der Überschreitungen (ÜS) des Tagesgrenzwerts für PM10 in Höhe von
50 µg/m³ im Land Sachsen-Anhalt und in Deutschland im Zeitraum von 6. bis 12. März 2025. Zudem sind die Maximalwerte der PM10-Konzentration im Tagesmittel angegeben.

 

Gebiet

 

06.03.

07.03.

08.03.

09.03.

10.03.

11.03.

12.03.

Sachsen-Anhalt

Anzahl ÜS

0

1

7

17

20

19

0

PM10 Max [µg/m³]

49

56

58

69

90

89

32

Deutschland

Anzahl ÜS

9

21

17

61

137

66

0

PM10 Max [µg/m³]

65

70

70

81

90

89

47

 

Auch ein Blick in die Abbildung 7, welche die Feinstaubbelastungskarten des UBA für den Zeitraum vom 6. bis 12. März 2025 zeigt, beweist, dass die in Sachsen-Anhalt gemessene Feinstaubbelastung ins gesamtdeutsche Bild passt. Während bis 9. März nur lokal erhöhte Feinstaubkonzentrationen gemessen werden, kommt es ab 10. März flächendeckend zu Überschreitungen. Ab dem 10.03.2025 zeigt sich auch eine Zweiteilung Deutschlands. Ein Tief westlich von Spanien zog langsam nordostwärts und lenkte feuchte Meeresluft in die Südwesthälfte Deutschlands. Der Nordosten lag hingegen noch im Einflussbereich des Hochs über Südosteuropa in kälterer Festlandsluft. Während sich durch den Wetterwechsel im Süden Deutschlands die Austauschbedingungen verbesserten, zeigte die Nordhälfte Deutschlands am 10. und 11. März noch einmal eine stark erhöhte Feinstaubbelastung. Im Bundesgebiet traten die meisten Überschreitungen ebenso wie in Sachsen-Anhalt am
10. März auf. Am 12. März kam es auch in der Nordhälfte Deutschlands zu einem Wetterumschwung, sodass im gesamten Bundesgebiet keine Überschreitung mehr festgestellt werden konnte.  

In Abbildung 8 ist beispielhaft die Feinstaubbelastung am 08.03.2025 in Deutschland und seinen Nachbarländern aufgezeigt. Die Messdaten stammen von den europäischen Messstationen und werden durch die Europäische Umweltagentur (EEA) gesammelt und veröffentlicht. Es ist klar zu erkennen, dass die blockierende Hochdruckwetterlage auch in den ost- und südosteuropäischen Mitgliedsstaaten zu einer erhöhten Feinstaubbelastung führte. In Polen lagen die Tagesmittelwerte in der PM10-Fraktion an städtischen Hintergrundstationen an diesem Tag zum Teil über 100 µg/m³. Die in Abschnitt 1 herausgearbeitete schwache Ostströmung am 8. und 9. März verlagerte die bereits mit Feinstaub vorbelastete Luft langsam nach Deutschland, wo lokale Emissionen zu einer weiteren Erhöhung der Feinstaubbelastung führten.

In Sachsen-Anhalt sind solch lang anhaltende Feinstaubepisoden in den letzten zwei Jahrzehnten immer seltener aufgetreten. Die letzte Episode mit fünf oder mehr aufeinanderfolgenden Tagen, an denen im Land Sachsen-Anhalt Überschreitungen des PM10-Tagesgrenzwerts aufgezeichnet worden, datiert nach Februar 2025 auf Februar 2017. Damals wurden am Tag des Höhepunkts der Episode (13.02.2017) 22 Überschreitungen des PM10-Tagesgrenzwerts in Höhe von 50 µg/m³ festgestellt. Dies bedeutete eine Überschreitung an allen mit PM10-Automaten ausgerüsteten Stationen des LÜSA. Im Ergebnis führte die aktuelle Feinstaubepisode daher zu einem erhöhten Medieninteresse.