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Wild­kat­zen er­obern Le­bens­räu­me in Sachsen-​Anhalt zu­rück

Viele Jahr­zehn­te leb­ten Wild­kat­zen nur noch in ge­rin­ger Zahl im Harz. Seit den 2000er Jah­ren brei­ten sie sich auch au­ßer­halb des Har­zes und sei­ner Vor­län­der wie­der aus. In­zwi­schen hat die Wild­kat­ze sogar die ent­fern­ten Wald­ge­bie­te im Nor­den Sachsen-​Anhalts er­reicht und sich dort dau­er­haft eta­bliert, wie Mo­ni­to­rin­g­er­geb­nis­se des Lan­des­am­tes für Um­welt­schutz Sachsen-​Anhalt (LAU) zei­gen.

Wild­kat­zen­mo­ni­to­ring

Auf­grund ihrer ver­bor­ge­nen Le­bens­wei­se und der Ähn­lich­keit zu Haus­kat­zen wer­den bei der Be­stand­ser­fas­sung von Wild­kat­zen ver­schie­de­ne Me­tho­den ein­ge­setzt, dar­un­ter Wild­ka­me­ras und ge­ne­ti­sche Ana­ly­sen. Das LAU ko­ope­riert dabei mit zahl­rei­chen haupt­be­ruf­li­chen und eh­ren­amt­li­chen Na­tur­schüt­ze­rin­nen und Na­tur­schüt­zern, Ver­ei­nen, Forst und Jä­ger­schaft. Den­noch ist eine ge­naue Zäh­lung der ein­zel­nen In­di­vi­du­en nicht mög­lich. Statt­des­sen wird die An­we­sen­heit der Art auf Ras­ter­fel­dern von 10 mal 10 Ki­lo­me­tern er­mit­telt.

Vor­kom­men

In den Jah­ren 2000 bis 2011 wur­den 25 be­leg­te Ras­ter­fel­der do­ku­men­tiert, zwi­schen 2012 und 2024 be­reits 117. Die Vor­kom­men sind dabei nicht wie frü­her an­ge­nom­men auf große, un­zer­schnit­te­ne Laub­wald­ge­bie­te be­schränkt. Ak­tu­ell be­sie­delt sind auch Fluss­auen­wäl­der und feuch­te Nie­de­run­gen wie der Dröm­ling, aus­ge­dehn­te of­fe­ne Hei­den der Alt­mark, Tagebau-​Rekultivierungslandschaften sowie klei­ne­re Wald­ge­bie­te in der Agrar­land­schaft, zum Teil in Sied­lungs­nä­he. Of­fen­bar sind Wild­kat­zen deut­lich an­pas­sungs­fä­hi­ger in Bezug auf ihren Le­bens­raum als bis­her an­ge­nom­men.

Ak­tua­li­sie­rung des Ha­bi­tat­mo­dells

Die neuen Er­kennt­nis­se haben Aus­wir­kun­gen auf das so­ge­nann­te Ha­bi­tat­mo­dell, mit dem ge­eig­ne­te Flä­chen iden­ti­fi­ziert und zu­künf­ti­ge Aus­brei­tun­gen ab­ge­schätzt wer­den kön­nen. Unter Lei­tung des Wild­bio­lo­gen und Art­spe­zia­lis­ten Malte Götz wurde das Ha­bi­tat­mo­dell daher fach­lich ak­tua­li­siert. Die Flä­che ge­eig­ne­ter Le­bens­räu­me hat sich ge­gen­über frü­he­ren Ein­schät­zun­gen da­durch um mehr als 50 Pro­zent ver­grö­ßert und um­fasst weite Teile Sachsen-​Anhalts.

Er­kennt­nis­se Te­le­me­trie­da­ten

Eine ak­tu­el­le Be­sen­derungs­stu­die in der Alt­mark zeigt, dass Laub­wäl­der immer noch die wich­tigs­ten Rück­zugs­ge­bie­te sind, ins­be­son­de­re für die Auf­zucht der Jun­gen. Götz, der die Un­ter­su­chung für die Deut­sche Wild­tier Stif­tung durch­ge­führt hat, er­klärt: „Lang­fris­tig ist es wich­tig, na­tur­na­he, aus­rei­chend große Alt­holz­be­stän­de im Wirt­schafts­wald zu si­chern und die forst­li­che Pra­xis an­zu­pas­sen. Ge­ra­de wäh­rend der jetzt be­gin­nen­den Auf­zucht­zeit soll­ten keine Holz­pol­ter oder En­er­gie­holz­mie­ten ent­fernt wer­den.“ Auch un­auf­ge­räum­te und ver­steck­rei­che Käferbefalls-​ und Wind­wurf­flä­chen soll­ten von März bis Juni un­be­dingt in Ruhe ge­las­sen wer­den. Dort­hin zie­hen sich Wild­kat­zen­müt­ter mit ihren Jun­gen eben­falls gern zu­rück. 

Grün­de für die Aus­brei­tung

Neben einer sta­bi­len Quell­po­pu­la­ti­on im Harz haben ver­mut­lich milde, schnee­ar­me Win­ter Ein­fluss auf die Aus­brei­tung, denn Wild­kat­zen lei­den bei hohen Schnee­la­gen unter Nah­rungs­man­gel und in der Folge an Krank­hei­ten und er­höh­te Sterb­lich­keit. Wei­ter ver­mu­ten Fach­leu­te einen po­si­ti­ven Ef­fekt durch einen hohen Tot­holz­an­teil und Auf­lich­tun­gen, die durch Wind­wür­fe und Kä­fer­be­fall im Na­del­wald ent­stan­den sind. Mög­li­cher­wei­se zei­gen auch Maß­nah­men wie Klein­tier­durch­läs­se und Grün­brü­cken an wich­ti­gen Aus­brei­tungs­kor­ri­do­ren der Wild­kat­ze be­reits po­si­ti­ve Ef­fek­te, weil sie Ge­fah­ren bei der Stra­ßen­que­rung re­du­zie­ren.

Wild­kat­zen und Haus­kat­zen

Die Eu­ro­päi­sche Wild­kat­ze ist eine hei­mi­sche Art, wäh­rend un­se­re Haus­kat­ze von der afri­ka­ni­schen Falb­kat­ze ab­stammt. Die Un­ter­schei­dung nach äu­ße­ren Merk­ma­len ist selbst für Fach­leu­te oft schwie­rig und un­si­cher, zumal auch Hy­bri­di­sie­rung, also ge­ne­ti­sche Ver­mi­schung von Wild- und Haus­kat­zen, vor­kommt. Das ist vor allem am Rand des Ver­brei­tungs­ge­bie­tes zu be­ob­ach­ten, wo die In­di­vi­du­en­dich­te noch ge­ring ist. Wel­chen Um­fang und wel­che lang­fris­ti­gen Kon­se­quen­zen Hy­bri­di­sie­rung auf die Be­stands­ent­wick­lung hat, muss noch er­forscht wer­den. Klar ist, dass Haus­kat­zen, die als ge­biets­frem­de Tier­art Wild­kat­zen­le­bens­räu­me be­sie­deln und die nicht ste­ri­li­siert sind, den Er­halt der Eu­ro­päi­schen Wild­kat­zen ge­fähr­den.