Menu
menu

Einfluss einer Saharastaub-Episode auf die Luftqualität in Sachsen-Anhalt

28.03.2021 | Erstellt von K. Roloff

Bereits am 19. Februar 2021 berichtete der Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAMS) über einen zu erwartenden Saharastaub-Eintrag, der von Marokko, Algerien und Tunesien aus nordwärts verfrachtet und am 21. Februar Spanien und Südwestfrankreich erreichen würde. Von dort wurde der Saharastaub über nordöstlich gerichtete Strömungen nach Deutschland und Nordeuropa transportiert. In entsprechenden, durch CAMS bereitgestellten Vorhersagen der maximalen bodennahen Staubkonzentration konnte die Ausbreitung nachvollzogen werden, wie Abbildung 1 zeigt.

Im Satellitenbild der NASA vom 22. Februar, das in Abbildung 2 dargestellt ist, ist die Trübung der Atmosphäre in Regionen ohne Bewölkung oder Hochnebel, zum Beispiel über den Niederlanden und Teilen Westdeutschlands sowie Frankreichs, deutlich zu erkennen. Auch der Deutsche Wetterdienst konnte an diesem Tag den Staubeintrag in circa zwei Kilometern Höhe an zahlreichen Stationen des Messnetzes nachweisen, so zum Beispiel in Mannheim, Trier oder Emden (siehe auch DWD - Thema des Tages).

Deutschland befand sich zu diesem Zeitpunkt im Einflussbereich eines Hochs mit Zentrum über Südosteuropa. In Sachsen-Anhalt war es tagsüber sonnig und ungewöhnlich mild mit Temperaturen bis 19°C. Auch nachts war der Himmel meist klar. Es wehte nur ein schwacher Wind aus südwestlichen Richtungen. Durch die fehlende Bewölkung konnten sich in den Nächten zum 23., 24. und 25. Februar starke Bodeninversionen bilden, wobei die Lufttemperatur bodennah mit der Höhe zunimmt. Der vertikale Luftmassenaustausch ist durch eine Inversion unterbunden. Durch den nur schwach vorherrschenden Wind und den ausbleibenden Niederschlag konnten sich Luftschadstoffe über mehrere Tage in den unteren Luftschichten nahe der Emissionsquellen anreichern. In städtischen und industriellen Umgebungen ist daher während Inversionswetterlagen auch ohne Saharastaub-Eintrag mit erhöhten Belastungssituationen zu rechnen.

Abbildung 3 zeigt die Auswertung der Temperaturmessungen am Funkturm Magdeburg im Zeitraum vom 20. bis 26. Februar 2021. Beispielhaft sind die Werte der Messhöhen in zwei Metern und in 140 Metern dargestellt. Die grau schraffierten Flächen zwischen den beiden Kurven markieren die jeweilige Inversionssituation. Es ist festzustellen, dass sich im untersuchten Zeitraum in jeder Nacht eine Bodeninversion ausbilden konnte. Allerdings stechen die Nächte auf den 23. bis 25. Februar deutlich hervor, weil der Temperaturunterschied der beiden Messhöhen über 10 Kelvin entspricht. Daher konnte sich die Bodeninversion an diesen Tagen trotz erheblicher solarer Einstrahlung bis in die späten Vormittagsstunden halten und den Luftmassenaustausch mit höheren Luftschichten unterbinden.

In der Nacht vom 22. auf den 23. Februar 2021 erreichte der Saharastaub Sachsen-Anhalt und schlug sich dort - wie zuvor in der Westhälfte Deutschlands - in deutlich erhöhten Feinstaubkonzentrationen nieder. Dies kann sehr gut in der animierten Darstellung der PM10-Belastung im Land Sachsen-Anhalt verfolgt werden, welche mit dem Programm FLADIS erstellt worden ist. Dieses Programm nutzt als Basis stündliche Messdaten der Konzentration einer Schadstoffkomponente, in diesem Fall PM10, sowie der Windgeschwindigkeit bzw. Windrichtung und berechnet daraus die Schadstoffverteilung im gesamten Bundesland. Während die Belastung am 22. Februar noch ein vergleichsweise niedriges Niveau aufwies und vor allem durch lokale Emissionen geprägt war, ist ab den Morgenstunden des 23. Februar ein Anstieg der PM10-Konzentration zu beobachten, der sich von den Stationen im Harz auf das komplette Bundesland übertrug. Dies ist auf den Saharastaub-Eintrag aus westlichen Richtungen zurückzuführen. Am 24. und 25. Februar 2021 war Sachsen-Anhalt flächendeckend von sehr hohen Feinstaubkonzentrationen betroffen.

Von Grenzwertüberschreitungen des PM10-Tagesmittelwertes waren bis zum 24. Februar ausschließlich Messstationen an Verkehrsschwerpunkten betroffen, da an diesen Standorten der dargelegte Einfluss der Inversionswetterlage und des Ferntransports von Saharastaub mit der verkehrsbedingten Zusatzbelastung zusammenfiel. Am 25. Februar wiesen dann auch zahlreiche Stationen des städtischen Hintergrunds Grenzwertüberschreitungen auf. Dieser Tag stellte deutschlandweit den Höhepunkt der Episode mit 281 Überschreitungen des Tagesgrenzwerts dar, von denen 19 in Sachsen-Anhalt festgestellt worden sind. 

Tabelle 1 zeigt die Anzahl der Tage mit Überschreitung des Tagesgrenzwerts für PM10 in Höhe von 50 µg/m³. Dabei sind die zugrunde liegenden PM10-Messungen an den Stationen je nach Umgebung gruppiert in die Standortklassen Verkehrsschwerpunkt, städtischer Hintergrund, Industriestandort und ländlicher Hintergrund. Es ist zu erkennen, dass es in allen Stationsklassen zu Überschreitungen kam, wobei die Anzahl der Überschreitungen erwartungsgemäß an den Verkehrsschwerpunkten sowohl anteilig an der Gesamtzahl der Stationen als auch im Absolutwert höher lag als im ländlichen Hintergrund. Am 25. Februar kam es an allen sieben Verkehrsstationen und an allen neun Stationen des städtischen Hintergrunds zu Überschreitungen. Insgesamt kam es während dieser Episode zu 32 Überschreitungen des Tagesgrenzwerts in Sachsen-Anhalt.

Tabelle 1: Anzahl der Überschreitungen des Tagesgrenzwerts für PM10 in Höhe von 50 µg/m³ je Stationsklasse im LÜSA im Zeitraum von 20. bis 26. Februar 2021. Die Zahl in Klammern gibt an, wie viele PM10-Messstationen des LÜSA dieser Klasse zugeordnet sind.

Stations-
klasse
20.02.21.02.22.02.23.02.24.02.25.02.26.02.Summe
Verkehrs-schwerpunkt (7)001467018
Städtischer Hintergrund (9)000029011
Industrie-standort (2)00000202
Ländlicher Hintergrund (4)00000101
Summe0014819032

Abbildung 4 zeigt die Tagesmittelwerte ausgesuchter Messstationen, ebenfalls unterteilt in die bereits erläuterten Standortklassen, für den Zeitraum vom 20. bis 26. Februar 2021. Zusätzlich dargestellt ist der PM10-Tagesgrenzwert in Höhe von 50 µg/m³, der nur an 35 Tagen im Jahr je Station überschritten werden darf. Unabhängig von der Stationsklasse ist zu erkennen, dass ab dem 21. Februar der Tagesmittelwert der Stationen stetig zunimmt und am 25. Februar 2021 seinen Höchstwert findet. An diesem Tag wird der Tagesgrenzwert sogar an der Station Domäne Bobbe im ländlichen Hintergrund überschritten. Bis zum 22. Februar sind die geringeren Zunahmen des Tagesmittelwerts je Station auf die Inversionswetterlage zurückzuführen. Ab 23. Februar 2021 führt der Eintrag von Saharastaub zu einer höheren Hintergrundbelastung und damit zu einer deutlicheren Zunahme des PM10-Tagesmittelwerts, wie es an den Stationen des ländlichen Hintergrunds gut zu erkennen ist. Die beiden Stationen Halle/Paracelsusstraße und Magdeburg/Guericke-Straße weisen am 25. Februar die höchsten Tagesmittelwerte im Kollektiv aller Stationen an Verkehrsschwerpunkten mit PM10-Messung auf. An der Paracelsusstraße wurden während der gesamten Episode die höchsten Feinstaubwerte gemessen. Es kam dort an vier aufeinander folgenden Tagen zu einer Überschreitung des PM10-Tagesgrenzwerts. Hingegen weisen die beiden Industriestandorte eine ähnliche Belastung auf wie sie auch im städtischen Hintergrund aufgetreten ist.

Am 26. Februar 2021 erreichte Deutschland die Kaltfront eines Tiefs mit Zentrum über Nordosteuropa. Der Wind wehte frisch aus nordwestlichen Richtungen. Ein Regengebiet überquerte Sachsen-Anhalt von Norden nach Süden. Durch diese Wetterbedingungen konnte die mit Feinstaub angereicherte Luft durchmischt und abtransportiert werden. 

Am 3. und 4. März kam es zu einer weiteren Feinstaub-Episode, die durch den Eintrag von Saharastaub ausgelöst wurde. Diese verlief allerdings deutlich kürzer und hatte nur an vereinzelten Stationen eine Überschreitung des Tagesgrenzwerts zur Folge.