Wolfsmonitoringbericht für Sachsen-Anhalt 2024/25
Reproduktionsgeschehen in Sachsen-Anhalt
Für den Arterhalt von besonderer Bedeutung ist, neben der Mortalität, natürlich das Reproduktionsgeschehen. Der Wolf ist – populationsbiologisch - ein klassischer r-Stratege, d.h. es werden schnell viele Nachkommen bei hoher Jungensterblichkeit produziert. Es ist also typisch für die Art, dass Elterntiere beinah jedes Jahr viele Welpen aufziehen, die sehr schnell wachsen, um das Jagen und Überleben noch vor der Abwanderung zu erlernen. Damit können Wölfe schnell auf sich ändernde Umweltbedingungen reagieren und so ihre ökologische Funktion als Regulatoren größerer Pflanzenfresser (Hirschartige, Wildschweine) und kleinerer Fleischfresser erfüllen. Gibt es viele Beutetiere, reagieren die Wölfe mit hohen Nachwuchszahlen. Dafür kann es in ungünstigen Zeiten zu höherer Mortalität bei den Jungtieren kommen. Diese natürliche Regulation funktioniert aber nur bei einer, nicht durch Menschen zusätzlich beeinflussten Populationsentwicklung.
Welpenzahlen
In Sachsen-Anhalt wurden in den letzten 10 Jahren während der Ausbreitungsphase durchschnittlich 3-4 Welpen pro Jahr und beteiligtem Rudel erfolgreich aufgezogen (noch im Territorium verstorbene Welpen werden hier nicht mitgezählt, da sie zum Arterhalt nicht mehr zur Verfügung stehen). In diesem Monitoringjahr beteiligten sich erstmalig weniger Rudel an der Reproduktion, konnten durch weniger Totfunde aber statistisch mehr Welpen erfolgreich aufziehen.
Anzahl der Subadulten
Bei der Aufzucht der Welpen helfen die vorjährigen Geschwister (subadulte Tiere) meist mit, bevor sie sich auf ihre Wanderschaft zur Partner- und Territoriensuche begeben. Hier gibt es hinsichtlich der Anzahl der verbliebenen Subadulten starke Schwankungen in den einzelnen Jahren. Je mehr subadulte Tiere die Eltern unterstützen, umso besser ist das elterliche Territorium vor Konkurrenten geschützt und umso besser kann die Versorgung der Welpen sichergestellt werden. Da die Subadulten aber früher oder später abwandern müssen, kann sich die Individuenzahl pro Rudel und Jahr sehr unterschiedlich darstellen. Aus der Telemetrie weiß man, dass die Abwanderung ganz individuell erfolgen und sich entweder als mehr oder weniger geradlinige Überwindung großer Distanzen oder als „Umherwandern“ in einer großen Region mit mehreren Wolfsterritorien (sogenannte Floater) darstellen kann. Natürlich gibt es auch zahlreiche Varianten dazwischen. Die Entscheidung darüber trifft der abwandernde Wolf, der durch die Umstände und Erfahrungen auf der Wanderschaft jeweils weiter individuell geprägt wird.
Verpaarungen
Um die Populationsstruktur insgesamt und die Effekte von Fluktuation der Verpaarungen je Territorium besser zu verstehen, wurde die Verpaarungsdauer je Territorium beobachtet. Damit sich ein Rudel etablieren kann, braucht es Zeit und Raum. Bei Neubegründung eines Territoriums dauert es im Regelfall zunächst ein Jahr, in dem das Paar sich findet und ein Territorium gegen Eindringlinge oder Kontrahenten verteidigen kann. Dieser Prozess ist nicht immer erfolgreich und mit zunehmendem Populationswachstum bis zur Sättigung auch mit Verlusten verbunden. Hat ein Paar sich und das Territorium erfolgreich etablieren können, werden meist im Folgejahr Welpen aufgezogen. Über das Fortbestehen des Territoriums entscheiden viele Faktoren (Populationsdruck/Konkurrenz, Umweltbedingungen usw.). Die Territorien in ST bestehen seit dem Monitoringjahr 2008/09 über durchschnittlich 5,8 Jahre pro Verpaarung. Dabei ist die Anzahl der Verpaarungen nicht von der Länge des Bestehens eines Territoriums abhängig (andere Faktoren ursächlich). Bis zu vier Verpaarungen wurden je Territorium bisher nachgewiesen. Dabei wird eine Verpaarung jeweils als neu angesehen, wenn einer der Territorieninhaber durch ein neues Tier ausgewechselt wird oder beide Partner neu sind. So gibt es Verpaarungen, die bis zu sieben Jahre Bestand hatten oder Territorien, die in sechs Jahren Bestehen bis zu vier Verpaarungen enthielten. Die Dauer der jeweiligen Verpaarung nimmt mit zunehmender Verpaarungshäufigkeit im Territorium ab, vermutlich durch steigenden Populationsdruck und/oder hohe Verluste. Das hat instabile Territorien bis zum Verlust derselben zur Folge. Dieser Mechanismus ist ein natürlicher Steuerungsfaktor und begrenzt das Populationswachstum auf natürliche Weise. Bezogen auf die Anzahl von Welpen/Verpaarung als Maß für Erfolg für den Populationsaufbau sind die jeweils ersten Verpaarungen erfolgreicher gewesen als alle nachfolgenden (durchschnittlich 15 Welpen/erster Verpaarung, elf bei zweiter, neun bei dritter und 13 bei vierter Verpaarung). Dies dürfte sich bei Sättigung der Population im Laufe der Zeit noch verändern.
Letzte Aktualisierung: 20.11.2025





